Die BKSD hat am 23.6.2014 verschiedene Stakeholder der Bildung zu einer Medienkonferenz eingeladen. Aufgrund des nahen Notenschlusses konnten sich die LVB-Geschäftsleitungsmitglieder nicht von ihrer Unterrichtsverpflichtung entbinden und waren daher an der MK nicht anwesend. Stattdessen hat der LVB folgendes Communiqué an die Medien und an seine Mitglieder verschickt:
Ein zu grosses Projekt für den Kanton
Die Fülle der derzeitigen Umstellungen mit den Kernpunkten
- Verschiebung des 6. Schuljahrs von der Sekundarschule an die Primarschule
- Einführung des Lehrplans 21
- Umsetzung des Passepartout-Frühsprachenkonzepts
- Einführung der Integrativen Schulung
überfordert den Landrat, die Bildungsdirektion, die Kantonsfinanzen, die Gemeinden, die Schulen mit ihren Schulleitungen und Lehrkräften und letzten Endes auch die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern:
- Keine ordnende Kraft in der BKSD: Die Bildungsdirektion hat ein Heer von Teilprojektleiterinnen und Teilprojektleitern aus den Schulleitungen rekrutiert. Jedes Mitglied dieses Stabs bewirtschaftet sein eigenes Gärtchen und stellt Ansprüche an die Lehrkräfte, die ausreichen, deren vertraglich festgelegte Weiterbildungszeit alleine auszufüllen. Eine ordnende Kraft, die über den einzelnen Teilprojekten steht und sich darüber Gedanken macht, wie all das zusammenpasst und wieviel an Reformen die Schulen auf einmal leisten können, ist nicht vorhanden. Die Spitze der Bildungsdirektion wiederholt mantrahaft, wie gut alles auf Kurs sei – während gleichzeitig der Bildungsdirektor laut über einen Rücktritt nachdenkt.
- Einführung Lehrplan 21 noch immer auf 2015/16: Obwohl bis heute keine definitive Fassung von ihm vorliegt und der erste Entwurf so unbefriedigend ausgefallen ist, dass der Kanton Baselland ihn sogar zurückgewiesen hat, ist die Einführung des Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2015/16 (notabene also in einem Jahr!) immer noch nicht vom Tisch. Während LVB, AKK und alle grösseren Parteien sich mittlerweile schon für eine Verschiebung ausgesprochen haben, während fast alle anderen Kantone eine Einführung nicht vor 2017/18 planen, halten einige wenige offenbar einflussreiche Exponenten der BKSD-Spitze weiterhin am von ihnen einmal festgelegten Einführungstermin fest. Dabei können wesentliche Schritte wie die Anpassung des Lehrplans 21 auf die dreigliedrige Sekundarstufe und den im Kanton Baselland bestehenden Übergang vom Kindergarten in die Primarstufe noch gar nicht an die Hand genommen werden. Mit der wenig hilfreichen Aufforderung an die Lehrkräfte, diese sollten den Lehrplan 21 „schrittweise“ einführen, geben die Verantwortlichen den schwarzen Peter an die Lehrkräfte weiter, die dann Schuld sind, wenn die Einführung misslingt.
- Landrat – unzufrieden und machtlos: Mit zahlreichen Aktionen versucht der Landrat, seiner berechtigten Unzufriedenheit über den Gang der Bildungsreform Ausdruck zu verleihen. Um das zu tun, was jetzt nötig wäre, nämlich die gesamte Bildungsreform in geordnete Bahnen zu führen, kann aber auch der Landrat nicht viel beitragen – dazu ist er nicht das richtige Gremium. Die Rückweisung der Vorlage über die Sonderpädagogik hat dies zuletzt deutlich gemacht: Der Landrat hat zwar die Schwächen der Vorlage benannt, kann aber der BKSD für die Überarbeitung keinerlei konkreten Auftrag mitgeben.
- Raum- und Finanzknappheit: Die Gemeinden stehen vor der Aufgabe, ihre Schulhäuser für eine sechsjährige Primarschule bereit zu machen, in denen nebst einem weiteren Jahrgang auch noch Platz für Gruppenräume geschaffen werden muss, und welche über eine IT-Infrastruktur verfügen müssen, die den Anforderungen der neuen Lehrpläne und Lehrmittel gerecht wird. Dabei sind die finanziellen Mittel einzelner Gemeinden derart knapp, dass nicht einmal die Blockzeiten flächendeckend garantiert werden können. Diverse Gemeinden legen ihre Schulen aus Kostengründen zusammen. Für die Schülerinnen und Schüler ist dadurch mit längeren Schulwegen zu rechnen.
- Die überlastete Mittelstufe: Die Primarlehrkräfte der Mittelstufe, welche sich unter grossem Einsatz für das Unterrichten einer Fremdsprache weitergebildet haben, stehen nun vor der nicht minder grossen Aufgabe, erstmalig das 6. Schuljahr zu unterrichten. Von Seiten der Bildungsdirektion wird immer wieder betont, dass diese Lehrerinnen und Lehrer die Unterrichtsberechtigung für das 6. Schuljahr besitzen würden. Das ist richtig, und doch braucht das Einarbeiten in neue Lehrmittel und Unterrichtsinhalte Zeit – der Vorstand der Primarschulkonferenz rechnet ebenso wie der LVB mit einem Zeitäquivalent von drei Unterrichtswochen. Obwohl aber vom Landrat für Weiterbildungsmassnahmen rund 30 Millionen Franken bereitgestellt wurden, weigert sich die Bildungsdirektion, diese den Primarlehrkräften für an Weiterbildungen gebundene Freistellungen vom Unterricht einzusetzen, mit der fragwürdigen Begründung, derlei sei vom Landrat nicht vorgesehen gewesen.
- Ungeklärte Zusatzausbildungen: Von den Lehrkräften der Sekundarschulen wird ab Schuljahr 2015/16 rund ein Viertel – gemäss heutigem Stand ausnahmslos Lehrkräfte mit befristeten Verträgen – die Stelle verlieren. Nicht zuletzt dank intensivem Einsatz des LVB konnte das Stellenabbauverfahren frühzeitig so aufgegleist werden, dass willkürliche Entlassungen verhindert werden konnten. Auf die verbleibenden Lehrkräfte kommt mit den neuen Stundentafeln der Unterricht der neuen Kombifächer „Natur und Technik“ (Biologie, Chemie, Physik), „Räume, Zeiten, Gesellschaften“ (Geschichte und Geographie) sowie „Wirtschaft und Hauswirtschaft“ zu. Mittelfristig müssen die Lehrkräfte, welche nur für Teile dieser Kombifächer fachlich ausgebildet sind, weiterqualifiziert werden. Es brauchte 1156 Unterschriften von Lehrerinnen und Lehrern des Kantons, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es dafür seriöse Weiterbildungen im Umfang mindestens eines CAS (15 ECTS-Punkte oder rund 450 Arbeitsstunden) braucht, sollen unsere Schülerinnen und Schüler nicht von unzureichend ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden. Diese Forderung ist bei der BKSD durchaus angekommen, wie sie jemals umgesetzt werden soll, weiss aber noch niemand.
- Die Rolle der Schulleitungen: Die Schulleitungen, die an vielen Schulen erst vor wenigen Jahren mit ihren heutigen Kompetenzen ausgestattet wurden, haben ihre Rolle verschiedentlich noch nicht gefunden. Dass Führen mehr ist, als Aufträge – seien sie noch so unrealistisch – von oben nach unten weiterzuleiten, sondern auch auf das Wohlergehen der Angestellten zu achten, ist nicht allen Schulleitungen bewusst. Das ist fatal in einer Zeit, in der der Druck von oben, die grösste Schulreform seit der Einführung der obligatorischen Schulpflicht durchzuziehen, enorm ist. Es steht zu befürchten, dass gerade junge und motivierte Lehrkräfte von Schulleitungen verheizt werden.Besonders bedenklich wird es dort, wo Schulleitungen zusätzlich zu den ohnehin schon anstehenden Reformen meinen, an ihren Schulen ihre eigene Vorstellung von Pädagogik umsetzen zu müssen – auch gegen den Widerstand aus dem eigenen Kollegium. Wo Schulentwicklung gegen die Lehrkräfte statt mit ihnen betrieben wird, ist das Scheitern vorprogrammiert.
- Fragwürdiges Frühfremd: Obwohl bereits jetzt jeder, der Augen und Ohren hat, merken muss, dass ein erheblicher Teil der Drittklässlerinnen und Drittklässler mit dem Französischlehrmittel „Mille Feuilles“ hoffnungslos überfordert ist, wird das Experiment „Frühfremdsprachen“ im aktuellen Setting weitergeführt. Leidtragende sind die Kinder, welche die Konsequenzen einer Ideologie über sich ergehen lassen müssen, welche die Methode des Muttersprachenerwerbs 1 : 1 auf den Fremdsprachenerwerb übertragen möchte und dabei der Tatsache blind gegenübersteht, dass kein Kind seine Muttersprache in drei Lektionen pro Woche lernen könnte.
Wo ist der Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler?
Die eigentliche Tragödie des Projekts Bildungsharmonisierung liegt darin, dass der Kanton in einer Zeit, in der er eigentlich sparen sollte, einen hohen zweistelligen (wenn nicht sogar dreistelligen) Millionenbetrag in eine Strukturreform investiert, welche den Schülerinnen und Schülern kaum einen Mehrwert bietet, während die Lehrkräfte eine Pflichtstundenerhöhung, unbezahlte Überstunden und einen seit Jahren ausbleibenden Teuerungsausgleich hinnehmen mussten und nun ein Grossteil der befristet angestellten Sekundarlehrkräfte auf die Strasse gestellt wird.
Anzuerkennen ist, dass zwischen Basel-Stadt und Basel-Landschaft Mobilitätshindernisse abgebaut werden (zumindest ein kleiner lokaler Mehrwert), aber selbst hier bleiben offene Fragen (Sind zum Beispiel die Anforderungen der drei Sekundarschulniveaus und für den Übertritt ins Gymnasium in beiden Halbkantonen gleich?). Die Mobilität darüber hinaus ist jedoch keineswegs erleichtert worden (kein Mehrwert), wozu massgeblich die unterschiedliche Fremdsprachenreihenfolge in den Deutschschweizer Kantonen beiträgt.
Der Mehrwert der Frühfremdsprachen ist in einem System, in dem zwei bis drei Lektionen pro Woche mit einem ungeeigneten Lehrmittel eine oder zwei Fremdsprachen geübt werden, entweder nicht vorhanden oder sogar negativ. Die integrative Schulung hat die Kosten der Sonderschulung nicht gesenkt, sondern im Gegenteil weiter in die Höhe getrieben. Das System mit fünf Jahren Primar- und vier Jahren Sekundarschule war mit Sicherheit nicht schlechter als das neue System 6/3 (auch hier also kein Mehrwert), und die Vereinheitlichung der Stundentafeln auf der Sekundarschule wird sich insbesondere auf das Niveau A sehr negativ auswirken, hat man doch die Gefässe für die Berufswahl radikal zusammengestrichen (kein Mehrwert – im Gegenteil!). Der Anteil der in Berufswahlvorbereitung ausgebildeten Lehrpersonen sinkt massiv, obwohl man weiss, dass schwächere Schülerinnen und Schüler an der Schwelle zur Berufswelt viel Unterstützung brauchen.
Während der Kanton Solothurn das Fach „Berufswahl“ gerade erst neu schafft, wird es in Baselland massiv abgebaut. Beides läuft unter dem Titel Bildungsharmonisierung. Und unter demselben Stichwort darf der Kanton Tessin weiter eine vierjährige Sekundarschule führen und Zürich bereits in der 2. Klasse mit der ersten Fremdsprache beginnen. Auch schweizweit ist HarmoS nicht viel mehr als ein gigantisch teurer Etikettenschwindel, ausgetragen auf dem Buckel der Lehrkräfte und der Steuerzahlenden.
Die LVB-Geschäftsleitung
Link: Medienmitteilung der BKSD