Geschätzte Mitglieder
Bei der 2016/17 im Auftrag der EDK erstmals durchgeführten Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) schnitten die Baselbieter Schülerinnen und Schüler unterdurchschnittlich ab, wie vergangene Woche bekannt wurde. Insbesondere die schwachen Resultate in Mathematik (am Ende der Sek I) sowie Französisch (am Ende der Primarstufe) lassen aufhorchen. LVB-Präsident Roger von Wartburg nahm auf Einladung von Bildungsdirektorin Monica Gschwind letzten Freitag an der diesbezüglichen Medienkonferenz teil.
Der LVB begrüsst Monica Gschwinds Entscheid, eine umfassende und tabulose Analyse der Ergebnisse unter Einbezug von Anspruchsgruppen wie dem LVB durchzuführen und bis Ende Jahr einen Zwischenbericht vorzulegen. Auch wenn Panik fehl am Platz ist, sieht sich der LVB in vielen seiner Kritikpunkte der letzten Jahre bestätigt. Bei aller Vorsicht gegenüber der Aussagekraft einzelner Testverfahren ist zu konstatieren, dass die bildungspolitischen Entwicklungen zwischen der für Baselland positiven PISA-Erhebung 2006 und dem ÜGK-Prozedere 2016/17 in ihrer Gesamtheit dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler nicht zuträglich gewesen sein können.
Der LVB hat stets kritisiert, dass das Baselbieter Schulsystem innerhalb weniger Jahre einem tiefgreifenden Umbau unterworfen wurde, ohne dass die Wirksamkeit der einzelnen Elemente hätte abgeschätzt werden können. Einige Beispiele: Integrative Schulung, Frühfremdsprachen gemäss Passepartout, neue Lehrerausbildung an der 2006 gegründeten PH FHNW, Strukturreform von 5/4 auf 6/3 und vorgezogener Schuleintritt als Folgen von HarmoS.
Der vielleicht anschaulichste politische Widerspruch zeigt sich hinsichtlich der Integrativen Schulung: Diese hat die ohnehin grosse Heterogenität der Schulklassen noch einmal massiv erhöht. Parallel dazu wurde als Folge mehrerer Sparpakete aber der Halbklassenunterricht auf der Primarstufe, welcher die enorme Heterogenität ein wenig abzufedern vermag, abgebaut. Dass die Integrative Schulung im Wissen darum eingeführt wurde, dass es nicht annähernd genug ausgebildete Heilpädagoginnen und Heilpädagogen gibt und dieses Problem bis heute nicht gelöst ist, soll auch erwähnt werden.
Sie, die LVB-Mitglieder, haben in der Vergangenheit schon mehrfach auf bestehende Schwierigkeiten aufmerksam gemacht und wir haben Ihre Voten stets in die Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit eingespeist. Nicht selten mussten wir dafür harsche Kritik einstecken oder das Urteil der LVB-Mitglieder wurde in Zweifel gezogen. Im Rückblick wäre es womöglich doch schlauer gewesen, auf die Kritik aus den Reihen der Praktikerinnen und Praktiker früher einzugehen. Einige Beispiele:
- Bereits im Dezember 2014, also vor viereinhalb (!) Jahren, forderte der LVB vom damaligen Bildungsdirektor eine dringliche kantonale Evaluation des neuen Fremdsprachenunterrichts, weil wir aufgrund zahlreicher Meldungen unserer Mitglieder massive Zweifel hatten, dass die Ziele des Lehrplans erreichbar seien. Der LVB stand damals mit seiner Sorge allerdings alleine da.
- Im Dezember 2016 befragten wir jene Sek-I-Mitglieder, welche Fremdsprachen unterrichten, nach ihrer Einschätzung der Kompetenzen, welche die erste «Passepartout-Generation» im Sommer 2016 mitgebracht habe. Über 90% fanden, die Lernziele Französisch würden im Bereich Sprechen nicht erreicht. Dies sei unmöglich, wurde uns damals von verschiedener Seite beschieden, schliesslich fördere Passepartout ja speziell das Sprechen. Die nun im Kontext der ÜGK präsentierte Passepartout-Zusatzerhebung weist aus, dass nur 10% der Lernenden die Lernziele im Sprechen Französisch erreichen.
- Im Frühling 2017 schliesslich vertraten knapp 80% unserer teilnehmenden Mitglieder der Primarstufe die Meinung, die Beschäftigung mit verhaltensauffälligen und sehr lernschwachen Kindern als Folge der Integrativen Schulung gehe auf Kosten der Förderung von Schülerinnen und Schülern ohne spezielle Bedürfnisse. Wenn im Zuge der ÜGK-Resultate auf solche Wortmeldungen nun endlich besser eingegangen wird – erst recht vor dem Hintergrund der noch einmal zurückgestellten Landratsvorlage zur Speziellen Förderung – , dann könnte sich die Übung gelohnt haben.
Auch eine weitere, jahrealte Forderung des LVB holen wir an dieser Stelle erneut hervor, indem wir wissen wollen, wie viel fachfremder Unterricht an den Baselbieter Schulen erteilt wird. Gemäss unseren Informationen dürfte dies von Schule zu Schule stark variieren. Es bringt nicht viel, abgehoben über Qualität an den Schulen zu philosophieren, solange zu solchen Basics wie der Frage, ob die Lehrpersonen für die Fächer, welche sie unterrichten, auch adäquat ausgebildet sind, keine Fakten vorliegen.
Leider zeigen auch aktuelle Beispiele, dass gewisse Dinge noch immer in die falsche Richtung laufen: So wird etwa die neue Projektarbeit auf der Sek I nicht durch ein separates Unterrichtsgefäss ressourciert, sondern in der Stundentafel einfach vom Deutschunterricht «abgezwackt» – auch wenn eine Projektarbeit keinesfalls einen sprachlichen Fokus haben muss, sondern beispielsweise ein handwerkliches Projekt sein kann. Ein ähnliches Problem besteht hinsichtlich der Informatik: Baselland steht ohne eigene IT-Unterrichtsgefässe interkantonal als Exot da – der Umgang mit dem Computer soll stattdessen in Mathematik und Deutsch «integriert» erlernt werden. Eigentliche Unterrichtszeit in diesen Kernfächern geht so verloren.
Zu guter Letzt ein weiterer Gedanke: Wir müssen unbedingt jene Lehrerinnen und Lehrer stärken, welche sich weigern, ihre schulischen Ansprüche zu senken. Denn dies ist leider ein weiterer unangenehmer Befund aus unserem Ressort «Beratung»: Unter teilweise massiven elterlichen Druck geraten zunehmend Lehrpersonen, die an gewissen Anforderungen festhalten. So werden die schulischen Leistungen aber wohl kaum besser werden.
Der LVB wird die Sommerwochen nutzen, um sein Argumentarium zu verfeinern und dieses danach in das «Analyse-Gremium» von Bildungsdirektorin Monica Gschwind tragen.
Weitere Informationen rund um die ÜGK finden Sie hier.
Freundliche Grüsse
Ihre LVB-Geschäftsleitung