Nach den Korrekturen ist vor den Korrekturen

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«Ils l’ont fait parce qu’ils ne savaient pas que c’était impossible» – eines der vielen geistreichen Zitate, welche Reisende in IC-Zügen zum Nachdenken anregen – bringt das Wirken des LVB in der vergangenen Amtsperiode auf den Punkt.

Dank Networking, Verhandlungsgeschick und unermüdlicher Mitarbeit des LVB steht den Baselbieter Lehrpersonen seit 2020 ein vielfältiges Lehrmittelangebot zur Verfügung. Sek I-Lehrkräfte erfreuen sich zudem an übersichtlichen und leistbaren Stofflehrplänen. Dies sind nur zwei bildungspolitische Meilensteine, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären. Vielfalt und Praktikabilität wurden entscheidend gestärkt – und damit die pädagogische Verantwortung von uns Unterrichtenden.

So erfreulich diese Erfolge sein mögen, so anspruchsvoll sind die aktuellen pädagogischen und gewerkschaftlichen Herausforderungen. Es ist also nicht der Moment, um sich auf Lorbeeren auszuruhen. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung müsste etwa die Erkenntnis reifen, dass Datenschutz keine Daten schützt, sondern Grundrechte und Privatsphäre – und die Zukunftschancen von Lernenden, die zerstört werden können, wenn ihre Lern- und Gesundheitsprofile in falsche Hände geraten.

Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Lehrpersonenmangels sind griffige Massnahmen Pflicht. Der Direktvergleich mit den umliegenden Kantonen zeigt, dass unser Kanton auf Stufe Primar die tiefsten Einstiegslöhne zahlt und mit der flachsten Lohnanstiegskurve «glänzt». Zudem kennt Baselland keine Altersentlastung – ein deutschschweizweit negatives Alleinstellungsmerkmal. Schliesslich verwehrt das Baselbiet den Primarklassenlehrpersonen weiterhin die dringend benötigte Ressourcierung der Klassenleitung – im Wissen darum, dass es ohne diese verantwortungsvolle, zeitintensive und unverzichtbare Arbeit keine Schulreisen, keine Lager, keine Projektwochen, keine Elternberatung, keine Übertrittsgespräche, keine Laufbahnberatung oder keine Absprachen mit dem KJP und SPD gäbe.

Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit fordert der LVB auf Stufe Primar deshalb eine höhere Lohnbandeinreihung und die flächendeckende Einführung der ressourcierten Klassenleitung. Die vom Regierungsrat angetrebte kommunale Variabilität lehnen wir in aller Form ab. Damit Frühpensionierungen oder gar krankheitsbedingte Langzeitsabsenzen verhindert werden können, fordert der LVB überdies die Wiedereinführung der Altersentlastung. Ebenfalls weiterhin unbefriedigend ist die Situation für (angebliche) Monofachlehrpersonen, altrechtlich ausgebildete Sek A- sowie die BG- und Sport-Lehrkräfte auf Sek II.

Attraktive Anstellungsbedingungen erschöpfen sich aber nicht in konkurrenzfähigen Löhnen. Aufgrund der Reformkadenz der letzten 15 Jahre nahmen die Anforderungen im Lehrberuf beständig zu. Um die Hauptbelastungsfaktoren zu eruieren, hat der LVB jüngst eine umfassende Umfrage lanciert. Wie gewohnt, werden wir die Resultate sauber analysieren, daraus konkrete Forderungen ableiten und öffentlichkeitswirksam publizieren. So viel sei jetzt schon verraten: Die mit der Einführung der Teilautonomie und der integrativen Schule generierte Sitzungs- und Administrationsexplosion wird von einer grossen Mehrheit der Befragten als belastend empfunden. Von den bis dato fast 800 Teilnehmenden wünschen sich weit über 80% eine Reduktion der verordneten Teamarbeit und mehr Zeit für das Kerngeschäft Unterricht.

Zum Schluss ein Wort in eigener Sache: Ja, ich entstamme einer echten Lehrerfamilie und ja, ich könnte mir an jedem Verwandtschaftstreffen einen Überblick vom Kindergarten bis zur Uni verschaffen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir auch Neurologen, Wirtschaftshistoriker, Banker, Polymechaniker, Forstunternehmer u.v.a. in unseren Reihen haben. Und meine Nichte – ihres Zeichens Optometristin – sorgt regelmässig dafür, dass dem neuen LVB-Präsidenten der erforderliche Durchblick erhalten bleibt, damit der LVB weiterhin in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der BKSD, dem AVS und den involvierten Anspruchsgruppen zu gesunden, finanzierbaren und bodenständigen Lösungen beitragen kann.

Philipp Loretz
Präsident LVB

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde auch in der Septemberausgabe (2022/23-01) unserer Verbandszeitschrift «lvb inform» veröffentlicht.

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