Reformspektakel als Geschäftsmodell

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«Die Schweiz ist das schlechteste Land der Welt», «ein überholtes Lernverständnis aus der industriellen Zeit erzeugt Frust und schlechte Leistung», «das Gleichschritt-Marsch-System zerstört das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen».

So tönt derzeit die medial kolportierte alarmistische Krisenbewirtschaftung von Herausforderungen im Bildungswesen. Umtriebige Bildungs«experten» und gewiefte Geschäftemacher kämpfen gar für eine «radikale Bildungsrevolution». Mit ihrem martialisch-exaltierten Wording suggerieren sie, das gegenwärtige Schulsystem lasse lediglich verantwortungslose Lernwege zu – jenseits von Würde und Eigenmotivation. Starker Tobak, der von Felix Schmutz [1] oder Carl Bossard [2] dekonstruiert wird.

Unbestritten: Auf den grassierenden Illetrismus, den überfrachteten Lehrplan 21, den quantitativen und qualitativen Lehrpersonenmangel braucht es griffige, nachhaltige Antworten. Das hat die umfassende LVB-Mitgliederbefragung zu den Belastungsfaktoren im Lehrberuf eindrücklich gezeigt. Im Gegensatz zur seriösen Erhebung und sorgfältigen Auswertung des LVB setzen die Reformturbos auf pseudowissenschaftliches Spiegelfechten mittels selektiv ausgewählter, tendenziöser und mitunter abenteuerlich interpretierter Studien, u.a. konzipiert von einer Tochterfirma des US- Milliardenkonzerns Marsh & McLennan Companies.

Wer profitiert? Die üblichen Verdächtigen reiben sich die Hände, allen voran VR/KI-Firmen und private Anbieter heilsversprechender Weiterbildungen, denn die grösstmögliche Individualisierung vor Bildschirmen ist Teil der Konzepte. Prominent vertreten: Bildungsmanager der Stiftung Mercator, Geschäftsleitungsmitglieder des Schulleiterverbandes Schweiz (VSLCH) und Hochschul-Exponenten, die u.a. im Beirat des Privatunternehmens «intrinsic» sitzen.

Wer profitiert? Die üblichen Verdächtigen reiben sich die Hände, allen voran VR/KI-Firmen und private Anbieter heilsversprechender Weiterbildungen, denn die grösstmögliche Individualisierung vor Bildschirmen ist Teil der Konzepte. Prominent vertreten: Bildungsmanager der Stiftung Mercator, Geschäftsleitungsmitglieder des Schulleiterverbandes Schweiz (VSLCH) und Hochschul-Exponenten, die u.a. im Beirat des Privatunternehmens «intrinsic» sitzen. Dieses baut dank der Finanzspritzen seines Netzwerks Parallelstrukturen in der Lehrerbildung weiter aus und kann die öffentlichen Schulen wegen des anhaltenden Lehrpersonenmangels ungehindert mit seinen zweifelhaften Konzepten infiltrieren.

Vor dem Hintergrund der wohl einmaligen Integrationsleistung des Schweizer Bildungssystems, der 23 Medaillen der Schweizer Berufs-Champions an den WorldSkills Competitions 2022 in Shanghai oder der rekordtiefen Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Raum lege ich den ungemein sendungsbewussten Bildungsrevolutionären ans Herz, sich etwas mehr in Demut zu üben, die «Push-To-Talk-Taste» loszulassen und stattdessen die Auswirkungen der Grossreformen der letzten 20 Jahre zuerst genau unter die Lupe zu nehmen. Bessere Französischkenntnisse dank Frühfranzösisch? Mehr Wissen und Können dank des Lehrplans 21? Höhere Sek II-Abschlussquoten dank mehr Inklusion? Bessere Lehrerbildung dank Akademisierung der Pädagogischen Hochschulen? Welche überschwänglichen Versprechungen wurden tatsächlich Realität?

Der Sturm-und-Drang-Fraktion der Schulreformer unterbreite ich folgenden Vorschlag: Erproben Sie Ihr Schulmodell doch über einen längeren Zeitraum an 10 verschiedenen Standorten in der Schweiz und lassen Sie es von unabhängigen Forschern im Vergleich zu 10 «traditionellen» Schulen mit Tests in Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Biologie und Physik evaluieren. Melden Sie sich erst wieder nach Abschluss der Evaluation, anstatt einmal mehr aufs Geratewohl ein Medikament ohne Wirksamkeitsnachweis auf den Bildungsmarkt zu werfen und den Beipackzettel mit den Nebenwirkungen zu unterschlagen. In der Arzneimittelforschung ist ein solches Vorgehen verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Berufsverbot geahndet.

Die Verantwortungsträger aus Politik und Wirtschaft sind gut beraten, sich von den eindimensionalen Worthülsen der Kampagnenführer nicht Sand in die Augen streuen zu lassen. Für ein funktionierendes Bildungssystem und eine erfolgreiche Integration unserer Jugend in den Arbeitsmarkt brauchen wir ganz bestimmt keine angloamerikanischen Verhältnisse mit Privatschulen für die Reichen und Restschulen für die weniger Begüterten, sondern eine starke, humanistisch wie leistungsorientiert geprägte öffentliche Volksschule für alle.

Die Verantwortungsträger aus Politik und Wirtschaft sind gut beraten, sich von den eindimensionalen Worthülsen der Kampagnenführer nicht Sand in die Augen streuen zu lassen. Für ein funktionierendes Bildungssystem und eine erfolgreiche Integration unserer Jugend in den Arbeitsmarkt brauchen wir ganz bestimmt keine angloamerikanischen Verhältnisse mit Privatschulen für die Reichen und Restschulen für die weniger Begüterten, sondern eine starke, humanistisch wie leistungsorientiert geprägte öffentliche Volksschule für alle.

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